Montag, 16. Jan. 2023 Die im September 2022 vom Stimmvolk angenommene AHV-Reform hat das Pensionsalter für Frauen und Männer egalisiert und flexibilisiert. Doch ganz gleich, wann wir die Ruder ins Boot holen, pünktlich zur Pensionierung müssen wir uns der Frage stellen, ob unser angespartes Kapital ausbezahlt oder in eine Rente umgewandelt werden soll. Seit Annahme der Reform der 1. Säule beträgt das Referenzalter für die AHV-Pensionierung für Männer und Frauen 65 Jahre, der effektive Zeitpunkt ist von der Frühpensionierung mit 63 bis zur Verlängerung der Erwerbsarbeit bis 70 frei wählbar. Mit dem Eintritt in den Ruhestand wird auch die Entscheidung fällig, in welcher Form das angesparte Geld aus der zweiten und dritten Säule bezogen werden soll - als Kapital oder als lebenslange Rente? Geld oder Leben? Bitte beides! Bei dieser Frage schiesst uns eine Frage durch den Kopf: Welches Alter werden wir erreichen? Wüssten wir, dass uns wenig Zeit bleibt, liessen wir uns womöglich gleich alle Ersparnisse aus Pensionskasse und dritter Säule ausbezahlen, um den Rest unserer Tage in Saus und Braus zu verleben. Könnten wir andererseits dem Teufel mit Sicherheit ein Schnippchen schlagen, und länger leben als die Versicherung «budgetiert» hat, dann würden wir womöglich mit einer lebenslangen Rente besser fahren. Doch eben: genau diese Sicherheit und jenes Wissen haben wir nicht. Es ist die Wette unseres Lebens – denn es ist eine Wette auf unser Leben. Auch wenn wir am liebsten steinalt würden und dabei steinreich blieben, wir kommen um das Dilemma nicht herum: Das ganz grosse Geld am Start in die ganz grosse Freiheit oder die kleine Freiheit für immer. Die grosse Freiheit am Start Mit einem Kapitalbezug bestimmen wir selbst, wie unser Vorsorgevermögen angelegt wird sowie wann und wie viel davon aufgebraucht werden soll. Die ganz grosse Freiheit eben – solange das Geld reicht. Der Bezug von Kapital drängt sich auf, wenn es für einen bestimmten Zweck wie einen Immobilienkauf oder die Amortisierung einer Hypothek dienen soll. Dabei sollte aber sichergestellt sein, dass nach dem Kapitalverzehr andere Einkommensquellen den Lebensunterhalt finanzieren. Einige Pensionskassen schränken den Kapitalbezug zudem ein. Bevor man also auf die ganz grosse Einkaufstour geht, sollte diese Frage geklärt werden. Die kleine Freiheit für immer Oder etwas bescheidener: für den Rest des Lebens – das ist aber auch nicht schlecht, vor allem für den Puls. Die lebenslange, monatliche Rente bietet Sicherheit und Planbarkeit. Wer keinen Gedanken mehr an die Finanzen verschwenden will, für den ist die Umwandlung in eine feste Rente der Königsweg. Die meisten dürften sich bald an diesen Komfort gewöhnen, es läuft ja weiter wie gehabt: monatlich kommt Geld auf das Konto - ausser, dass man nicht mehr dafür arbeiten muss. Kein Wunder, dass das immer noch die Standardlösung im Ruhestand ist. Das Nörgeln über die Fonds der Vorsorgeeinrichtung, weil man denkt, das Geld selbst besser anlegen zu können, muss man sich dann aber ein für alle Mal abgewöhnen – man sollte es im Gegenteil so sehen: Das Risiko, beim „selbstgemachten“ Anlegen Fehler zu machen, wird mit der Rente eliminiert. Aber der Rentenbezug hat nicht nur Vorteile. Viele Pensionskassen passen die Rente beispielsweise nicht an die Inflation an. Steuerlich betrachtet ist der Kapitalbezug ausserdem langfristig besser. Aber eben, um zum Anfangsdilemma zurückzukehren: Wenn wir mit sehr vielen Jahren nach der Pensionierung rechnen, gewinnt eine „ewige“ Rente wieder an Attraktivität. Steuern und vererben: Kapital gewinnt Für den Bezug von Vorsorgevermögen wie 3a-, Freizügigkeits- und PK-Kapital kennt die Schweiz eine spezielle Kapitalauszahlungssteuer. Diese «Vorsorgesteuer» fällt einmalig beim Bezug an und ist tiefer als die Einkommenssteuer. Da sie aber ebenfalls progressiv ist, sollten Vorsorgevermögen gestaffelt und nicht im gleichen Jahr bezogen werden. Die lebenslange Rente unterliegt dagegen der Einkommenssteuer, und zwar für den Rest des Lebens, denn AHV- und Pensionskassen-Renten zählen zum Einkommen. Im Todesfall kann das noch nicht verzehrte Vermögen eines Kapitalbezugs vererbt werden, bei einer Rentenlösung geht das nicht verzehrte PK-Kapital an die Pensionskasse. Ausnahmen gibt es für Waisen, Witwen oder Witwer. Der überlebende Ehepartner erhält in der Regel 60 Prozent der Rente. Diese Hinterbliebenenrenten sind aber an Bedingungen geknüpft und können unterschiedlich hoch ausfallen. Mischen possible: beide Vorteile abholen Je nach Pensionskasse können Rente und Kapitalbezug kombiniert werden, wobei die lebenslange Rente natürlich umso geringer ausfällt, je mehr PK-Kapital bezogen wird. Der Teilbezug des Kapitals erlaubt es, sowohl von einer regelmässigen Rente zu profitieren als auch einen Teil des Alterskapitals bei der Pensionierung nach Belieben zu nutzen. Und mit der Kombination der Vorzüge beider Varianten lassen sich erst noch Steuern sparen. Im Fall eines Kapital-Teilbezugs bei der Pensionierung fallen zwar einmalige Kapitalauszahlungssteuern an, doch verringern sich durch die verminderte PK-Rente die jährlichen Einkommensteuern. Flexibles Pensionsalter: Frühpension und Aufschub Der im Pensionskassengesetz (BVG) vorgeschriebene Mindest-Umwandlungssatz beträgt zurzeit 6,8 Prozent. Pro 100000 Franken obligatorisches Altersguthaben ergibt das eine Jahresrente von 6800 Franken. Bei einer Frühpensionierung wird der Umwandlungssatz herabgesetzt, durch spätere Pensionierung kann er erhöht werden, was die Altersrente erhöht. Während des Aufschubs kann die Altersrente nach freier Wahl bezogen werden. Reformrisiken: Umwandlungssatz und Umverteilung Bei der Einführung des BVG 1985 betrug der Umwandlungssatz noch stolze 7,2 Prozent. Seither ist die Lebenserwartung deutlich gestiegen. Als Reaktion wurde der Umwandlungssatz mit der 1. BVG-Revision von 2006 schrittweise auf 6,8 Prozent gesenkt. Eine weitere Senkung auf 6 Prozent lehnten die Bürger 2017 zwar ab, doch angesichts der weiteren demografischen Alterung wächst der Druck, ihn weiter zu senken. Denn reicht das angesparte Kapital nicht, um die garantierten Renten auszuzahlen, kommt es zu Umverteilung von Erwerbstätigen zu Rentnern. Dass diese erzwungene Solidarität Grenzen hat, legt auch die von der PKG Pensionskasse in Auftrag gegebene Studie „Berufliche Altersvorsorge 2050“ der Hochschule Luzern nahe. Darin werden sinkende Solidarität zwischen den Generationen als einer der Megatrends identifiziert, die die Vorsorge in Zukunft massgeblich bestimmen wird. Doch Vorsicht: Die höhere Lebenserwartung, die an den Renten nagt, schmälert auch den Nutzen des angesparten PK-Kapitals. Denn dieses muss bei einer Auszahlung ein längeres Leben im Ruhestand finanzieren.